balkanblackbox #6 2004

bbb 2004 » idee KALENDER «
idee des festivals: die black box öffnen
Am 26. Februar 2004 verunglückte das Flugzeug des mazedonischen Präsidenten Boris Trajkowski. Der Präsident und seine Begleiter, auf dem Weg zu einem Investitionsgipfel, kamen dabei ums Leben. Die "black box", der Flugschreiber des Flugzeugs, wurde gefunden und gründlich durch französische, deutsche und US-amerikanische Experten begutachtet. Das Ergebnis war ernüchternd: Die "black box" war leer, das Band hatte nicht aufgezeichnet...

Die "black box" ist in diesem Sinne auch eine Metapher: Der Flugschreiber ist oftmals der letzte Anhaltspunkt für die Geschehnisse in einem Cockpit. Die Kriege und der gesellschaftliche "Absturz" der 90er Jahre im ehemaligen Jugoslawien zeigten jedoch ganz analog zu dem obigen Fall, dass der "Balkan" für Westeuropäer eine unbeschriebene "black box" darstellt. Der Balkan ist in diesem Sinne ein 'geschlossenes System, dessen innerer Aufbau unbekannt ist' und auch bleibt.

Ethnische Abgrenzungen, Transformationsprozesse, Widersprüche zwischen Tradition und Modernisierung sowie politische Fehlentscheidungen haben in den letzten Jahren die Komplexität des Balkanbildes nur verstärkt und zur weiteren Distanzierung westlicher Wahrnehmung geführt. Als sehr kurzatmig erwiesen sich hierbei einzelne Versuche der westeuropäischen Öffentlichkeit (etwa durch Ausstellungen und Diskussionsveranstaltungen) das Innere der "Black Box Balkan" zu verstehen.

Der Flugschreiber der mazedonischen Unglücksmaschine blieb leer: wir wissen nicht, was in den letzten Minuten vor dem Aufprall geschah. Die balkan black box #6 bietet dagegen die Chance, über das Aufzeichnen von Fakten und Daten hinausgehend,  Bilder der kulturellen Wirklichkeit wiederzugeben, die sich aus der Doppelwahrnehmung von "Hier" und "Dort" speisen und dadurch neue Pfade und Interpretationsmöglichkeiten innerhalb der aktuellen Kulturproduktion eröffnen.
Die balkan black box ist in diesem Sinne auch ein Flugschreiber der westlichen "Kulturmaschine". Wie deren gravierende Abstürze im 20. Jahrhundert (z.B. Weltkriege) zu Genüge verdeutlicht haben, ist es daher durchaus von Nöten,Protagonisten "an Bord" zu haben, die durch unermüdliche Kulturarbeit den Reflexionsspiegel gesellschaftlicher Wirklichkeit hochhalten.