balkan black box

Der Offizier

Regie: Bertram von Boxberg; 30 Min, D 2000 (DF)
Wettbewerb: Regionalfokus: Kosovo

babylon berlin:mitte, Di, 21.11.2006 um 22:15 Uhr

Die deutsche KFOR-Mission, von innen betrachtet: Porträt eines deutschen Hauptmanns bei der von Deutschland geführten Multinationalen Brigade Süd-West mit Sitz in Prizren.

Sechs Monate lang - vom 9. November 1999 bis zum 9. Mai 2000 - war Wolf von Marschall als Reservesoldat der Bundeswehr im Kosovo. Zuhause in Thüringen ließ er seine Frau Wiebke und seine vier Kinder im Alter von ein bis acht Jahren zurück. In dieser Zeit führte Wiebke von Marschall zusammen mit einem Verwalter den Betrieb des Landwirtes. Während dieses halben Jahres hat das Filmteam sowohl Wolf von Marschall im Kosovo als auch seine Familie in Thüringen mehrfach besucht. Der Film erzählt jenseits eines tagespolitischen Aktualitätsanspruches das alltägliche Leben eines Bundeswehrsoldaten im Krisengebiet. Parallel dazu wird berichtet, wie die Familie v. Marschall ohne den Vater auskommt. Eine Situation, wie es sie zuletzt im 2. Weltkrieg gab: Der Mann als Soldat im Einsatz - die Frau führt den Betrieb, übernimmt plötzlich Aufgaben, die ihr vielleicht vorher nicht zugetraut wurden. Auch das Weihnachtsfest muss die Familie getrennt verleben. Während Wolf von Marschall Dienst in der operativen Planungszentrale hat und sich über das Weihnachtspäckchen des Verteidigungsministers freut (ein Kugelschreiber) , packen die Kinder unter dem Weihnachtsbaum ohne den Vater die Geschenke aus. Einziger Kontakt an diesem Heiligen Abend ist ein kurzes Telefonat. Der Film schildert die Situation im Kosovo konsequent aus der Perspektive eines der 5000 dort stationierten deutschen Soldaten. Der Frage nach dem Sinn dieses Bundeswehreinsatzes im Krisengebiet wird anhand täglicher Vorkommnisse nachgegangen. Während im Herbst die Soldaten vor allem damit beschäftigt waren, Hilfsgüter in die abgelegenen Bergdörfer zu bringen, war es im Winter im tief verschneiten Kosovo relativ ruhig. Im Frühjahr dann flammten vor allem in Mitrovica die Auseinandersetzungen zwischen Serben und Albanern wieder auf. “Ich habe meine Zweifel, dass man die Ethnien hier wirklich wieder zusammenführen kann” sagt v. Marschall im Interview. “Es gibt Momente, wo ich wie viele andere hier an der Aufgabe verzweifle”. Dennoch versieht Marschall seinen Dienst im Balkan unbeirrt weiter auch wenn das Leben im Camp hart und eintönig ist. “Jeder Tag gleicht dem anderen, es gibt keinen Unterschied zwischen Montag Mittwoch oder Sonntag...” In Thüringen geht derweil das Leben der Familie weiter. Wie gewohnt? Was verändert sich wenn der Vater nicht da ist? Bei der Beobachtung der Familie in Thüringen versucht der Film herauszuarbeiten, wie dieser Bundeswehreinsatz auf die Kinder gewirkt hat. “Ich hab Angst um Papi, wenn der auf eine Mine tritt und sich verletzt, oder wenn er stirbt” sagt die acht jährige Marie - Luisa in einem Interview. Wie kann man Kindern diesen Einsatz des Vaters erklären, wie kann man ihnen die Angst nehmen? Wolf von Marschall hat sich freiwillig für diesen Einsatz gemeldet. Der 38 Jährige ist nicht der Typ eines Abenteurers. Marschall ist vor allem aus Humanitären Beweggründen in das Kosovo gegangen: “Unsere Kinder können in Freiheit aufwachsen, in Wohlstand - ich möchte helfen, dass die nächste Generation dort vielleicht auch diese Möglichkeit bekommt”. Inzwischen sitzt Wolf v. Marschall wieder auf seinem Schlepper und bearbeitet sein Land. Er hat Zeit zum Nachdenken - hat sich der Einsatz gelohnt? Konnte er wirklich helfen das zu erreichen, was er sich vorgenommen hatte? Oder war der Preis, seine Frau und seine vier Kinder ein halbes Jahr allein zu lassen, nicht zu hoch?