bbb 2002 >> foren >> Filmpremiere und Diskussion: "Yugoslavia - the avoidable war"
Podiumsdikussion
vom 1.10.02, 20:50-21:55
"Jugoslawien, der
vermeidbare Krieg?" im Nickelodeon-Kino
Podium: Dana Budisavljevic,
Thomas Deichmann, Heiko Hänsel, Boris Kanzleiter, Martin Lettmayer,
Moderation: Eberhard Seidel[-Pielen]
Eberhard Seidel: [...] eine ganze Menge Emotionen ausgelöst hat, im
einzelnen bei den Zuschauern, ich mein', das denk' ich mir, ist ein großes
Kompliment an Herrn Lettmayer, der diesen Film also mit zur, also
mitproduziert hat...
[Applaus ca. 20; empörte "Boah"-Rufe von zwei Frauen im vorderen Bereich]
...also neben mir sitzt hier Thomas
Deichmann, der ist freier Journalist und Chefredakteur der Zeitschrift
"Novo", und lebt in Frankfurt am Main...
[Applaus ca. 8; wütendes "Bo-bobo-bo" von den gleichen Frauen]
... er beschäftigt sich seit Jahren
ausgiebig mit dem Thema [dem Krieg], um den die Diskussion geht.
Ja, ich würde vorschlagen, daß wir
vielleicht die Möglichkeit haben erst mal, hier auf dem Podium wir uns ein
bißchen auszutauschen, und dann, im zweiten Teil, die Möglichkeit geben,
aus dem Publikum auch noch mal an's Podium Fragen zu stellen.
Von mir aus gesehen links außen,
also kurz mal vielleicht aufstehen: Heiko Hänsel, er ist
Südosteuropahistoriker und Journalist und war für die OSZE und
Europarat und als Wahlbeobachter in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo, und
hat auch ne Studie verfasst: "Die deutsche Debatte zum Kosovokrieg".
Also auch jemand, der sich in der Materie auskennt. Neben ihm sitzt Boris
Kanzleiter, er lebt in Berlin und ist freier Journalist, und mehr soll ich zu ihm nicht sagen, hat er gesagt.
[Heiterkeit]
Und hier ist jetzt Dana
Budisavljevic, richtig, aus Zagreb, und sie arbeitet im Dokumentarfilmhaus
Factum und wird zu ihrer Arbeit gleich also mehr erzählen.
Ich würd in der ersten Runde gleich
mal den Heiko Hänsel fragen, was so sein erster emotionaler Eindruck war,
als er den Film gesehen hat.
Heiko Hänsel: Ja, ich denke ich sollte nicht
emotionalisieren, also werde ich nicht über meine Emotionen sprechen. Ich
halte das für einen Tendenzfilm, manche im Saal werden sicherlich sagen,
für einen tendenziösen Film, auch diesem Urteil würde ich mich anschließen.
Es ist ein Film, der in einer enormen Radikalität! die beiden
Sichtweisen im Westen gegenüberstellt. Die eine läßt er weg, die andere
formuliert er selber. Die eine ist die Beschäftigung mit der Rolle des
Westens, die Selbstkritik, die Reflektion darüber: Soll man intervenieren?
Soll man nicht intervenieren? Wie geht man mit dem Jahrzehnt
der jugoslawischen Kriege um? Und das zweite ist, die regionale Sicht, die
Wahrnahme regionaler Fakten, der Geschichte auf dem Balkan, der
Konfliktentwicklung, der Gründe für den Zerfall Jugoslawiens. Und ich
glaube, daß der Film das ausgeblendet hat. Jeder weiß, daß es natürlich für
ein objektives Bild notwendig wäre, das zu tun. Allerdings ist die
Geschichte der jugoslawischen Nachfolgekriege auch kompliziert genug, und
man kann das nicht in drei Stunden, wie es im Original ist, oder hier in
zwei Stunden packen.
Was mir nicht
gefallen hat, ist, daß einige Fakten falsch waren [Frau aus dem Publikum: "Wie?"],
zum Beispiel wurde suggeriert, dass die bosnischen Muslime Fundamentalisten
seien, das ist, also jeder der in Bosnien war, weiß, daß dem nicht so ist.
Es gab Mudjaheddin in Bosnien, Osama bin Laden war auch in Bosnien, aber
der Film suggeriert das. Auch der Umgang mit dem Srebrenica-Massaker ist,
ja: problematisch, muß man [murmelnd, fast unverständlich: um
Himmels Willen] so sagen, also dieser Red... [laut werdend, mit
Betroffenheit:] also ich versteh' nicht warum, warum du das machst,
warum führst du an: zweihundert Tote?!?!??? Also, meine Information ich
schreibe Länderberichte für Brockhaus ist, daß mehr...
[ironische Bemerkungen im Publikum]
... daß mehr als 200 Tote in
Massengräbern, die Srebrenica zugeschrieben werden, um es bei diesem
Konjunktiv zu belassen, gefunden worden sind. Du hast mir eben gesagt, dass
die aktuelle Zahl der Toten jetzt auf 4400 sich beläuft ich bin da immer noch von 7000 ausgegangen. Gut
[Frau: "Private Sache!"]
also, also es gab einige Fakten,
die für meine Begriffe, oder auch von meinem Kenntnisstand her, falsch sind.
Eine zweite, eine dritte Sache, und
dann hör ich auch schon auf, weil wir sind ja viele in der Runde, ist, daß
ihr sehr viel über Kroatien gesprochen habt und über die Krajina. Da waren
imgrunde keine faktischen Fehler drin. Aber wenn man so betont, daß es
ethnische Säuberungen gegeben hat, dann muß man auch wenigstens mal
erwähnen, daß die Serben als erstes die Kroaten gesäubert haben! [vereinzelter
Widerspruch] Also, und das finde ich, das entspricht einfach nicht
einem Gesamtbild, daß man sozusagen den Konflikt so einseitig darstellt.
Und, das Wort wird wahrscheinlich an dem Abend noch mehrfach fallen: der,
der Film suggeriert sehr viel. Ich finde das legitim. Herr Loquai ist ja
auch ein Vertreter dieser Schule, und ich hab' mich auch schon mit ihm
angelegt. [Unruhe, Zwischenrufe, Beschwichtigungen] Damit werde ich
erst mal schließen und das Mikro zurückgeben.
Eberhard Seidel: [Gönnerhaft:] Also ich weiß ja, daß jeder ganz viel dazu zu
sagen hat, aber wir sollten die Möglichkeit einfach, daß der Filmemacher
hier ist und ein paar Leute, die sich mit dem Thema ganz intensiv
auseinandergesetzt haben, daß die sich vielleicht erst mal austauschen.
Mein Frage an Herrn Deichmann wäre:
ich meine, der Film ist ja ein Stückweit eine Gegenerzählung zu der
Erzählung, die in den Medien hier, also in Deutschland und, ja, auch in
Westeuropa, über zehn Jahre lang erzählt wurde. Wird denn diese
Gegenerzählung, die wir jetzt gesehen haben, die auch davon ausgeht, daß
letztendlich die Konflikte auf dem Balkan durch Einwirkung von
außen also Genscher wurde ja genannt, also die Anerkennung von Slowenien,
von Kroatien, als das Grundübel, was dann ganz vieles nach sich
gezogen hat der Situation gerecht? Was mir beispielsweise fehlt, ist
jegliche Analyse von Machtcliquen, Machtinteressen innerhalb des ehemaligen
Jugoslawiens, wie... beispielsweise gab's irgendwie zivilgesellschaftliche
Gegenbewegungen, die also diesen Konflikten entgegengestanden haben, also das
kommt in dieser Erzählung nicht vor. Also werden wir jetzt mit
dieser Gegenerzählung der Westen mit seinen Fehlern hat also den Konflikt
in Jugoslawien auf die Spitze getrieben der Situation wirklich gerecht?
[Zwischenruf Frau: "Warum verniedlichen Sie das mit ,Fehler?"]
Thomas Deichmann: Also ich finde den Film, um das vorweg zu
sagen, sehr, sehr wichtig, und ich würd' mir wünschen, dass so `n Film mal
um 20:15 im ARD oder im ZDF mal ausgestrahlt wird...
[lauter Applaus, 5+]
...weil ich habe meine eigenen
Erfahrungen, mich seit einigen Jahren mit dem Thema beschäftigt, und es
Leid bin, viele Dokumentationen mir anzusehen, die alle nur das gleiche
wieder herbeten, was wir jetzt auch in dem Film teilweise gesehen haben,
wie das geschieht. Ich meine gerade, daß eben der Schwerpunkt nicht auf
irgendwelchen Cliquenwirtschaften im ehemaligen
Jugoslawien [liegt, worauf hier offenbar viel] Wert gelegt wird,
ohne dann, meiner Meinung nach, irgendeinen dieser Politiker, ob der nun
Milosevic, oder Kucan, oder Izetbegovic, oder Tudjman heißt, zu bevorzugen,
oder irgendwie als besonders sympathisch da stehen zu lassen, gerade das
macht für mich die Qualität des Filmes aus. Weil er ist in seiner Botschaft
und in seiner Art und Weise, wie er rüber kommt, natürlich knallhart. Er
ist absolut knallhart in seiner Stringenz zu hinterfragen und in Frage zu
stellen, und vor allem, vor der eigenen Haustür zu kehren. Das ist genau
das, was mir in der deutschen Politik und in der deutschen Medienlandschaft
absolut fehlt.
Ich finde auch nicht, daß da,
irgendwie diese Suggestionsgeschichten dabei sind. Ich hatte auch mit
keiner der Kriegsparteien irgendwas am Hut. Ich finde, in dem Film kommen
sowohl die Politiker der Cliquen vor Ort gleich schlecht weg, zu Recht mit
Sicherheit, aber auch zwischen den Völkern des ehemaligen Jugoslawiens.
Also, daß da irgendwelche Leute in eine schlechtere Ecke wie die anderen
geschoben werden, das weiß ich nicht, wie man auf die Idee kommen kann. Ich
denke es werden alle Leute hier als, alle Zivilisten als, ziemlich... ja:
übel daherkommende Opfer einer westlichen Politik vor allem dargestellt,
ohne daß da große Unterschiede gemacht werden.
Also das finde ich, um das vorweg
zu sagen: so im nachhinein jetzt das noch mal alles so zu sehen, ich habe
ja auch den langen, den dreistündigen englischen Film gesehen für mich
ist das im nachhinein immer wieder doch schockierend, weil was da
dargeboten wird, ich bin seit 1993 sehr aktiv auch als... ja,
investigativer Journalist im Kriegsgebiet unterwegs gewesen. Das sind
alles überhaupt keine großen Neuigkeiten, oder so, sondern das lag im
Prinzip alles vorhanden. Also ich hab 1993, als ich das erste mal in
Kroatien war, das war die Anfangszeit, als ich recherchiert habe,
überwiegend über Kroatien und Bosnien. Ich bin erst 1996 das erste Mal
überhaupt in Serbien gewesen. Das hat einen fast erschlagen, die Art und
Weise, wie da Propaganda betrieben wurde. Und noch mehr hat's mich immer
wieder erschlagen, als ich nach Hause gekommen bin und dann mitbekommen
habe, wie einfach da alles für bare Münze genommen wurde und dann von
Politik und medienseits ausgeschlachtet wurde. Also das ist im nachhinein
wieder schockierend, das empfind ich auch am Schluß, auch wenn das jetzt
wahrscheinlich relativ kurzfristig reingehauen wurde: noch mal so die
Mahnung, sich so was noch mal vor Augen zu führen, auch hinsichtlich dessen, was
sich jetzt wieder zusammenbraut hinsichtlich Irak und Kriegsführung und
so weiter das sollte man nicht vergessen. Und deshalb finde ich den Film,
erst dachte ich, was soll der jetzt, 15 Jahre danach? Ich denke, gerade so
Filme sind auch nach so `ner Zeitspanne enorm wichtig.
John Roy McArthur, den wir oft
gesehen haben, ehemaliger Chefredakteur vom Harper's Magazine, ist er
mittlerweile nicht mehr, der hat ein Buch geschrieben 1991 oder ´92: "Schlacht
der Lügen", wo er genau die Propagandamaschinerie der westlichen
Welt und der Amerikaner hinsichtlich des Golfkrieges dargelegt hat; und
entsprechend entrüstet war er dann zu sehen, dass irgendwie ein paar Jahre
oder Monate später, die westliche Journaille wieder praktisch völlig
kritiklos mehr oder weniger `ne offizielle Version
mitgenommen haben. Das Buch habe ich damals gelesen, John Roy McArthur,
kann ich mich noch genau daran erinnern, und war vorgewarnt, und vielleicht
habe ich deshalb auch ein bißchen anders da irgendwo diesen Krieg
eingeschätzt. Aber um den ersten Punkt noch mal zu wiederholen, auch mein
Ansatz war während der Jahre, als ich zu dem Thema gearbeitet habe, als
Medienkritiker: vor der eigenen Haustüre kehren, also Medienkritik zu
betreiben und wie gesagt, da find' ich den Film sehr, sehr gut.
Was jetzt Heiko Hänsel gesagt hat,
ich mein' mit Srebrenica, diese 200 Toten, das bezog sich, wie ich das
verstanden habe, auf ein Massengrab, wo während des Konfliktes
Spekulationen über tausende von Toten waren. Es waren dann in
Anführungszeichen: "nur 200" gefunden worden. Ist natürlich...
Heiko Hänsel: Aber jetzt sagt er's ja wieder! Aber jetzt
sagst du's ja wieder! Es stimmt doch nicht...
Thomas Deichmann:...ist 'ne furchtbare Tatsache, was geschehen
ist...
Heiko Hänsel: Aber jetzt sagst du's ja wieder! Es stimmt
doch nicht. Es sind mehr als 200 Tote gefunden worden!
Thomas Deichmann: ...ja, in verschiedenen Massengräbern, hier
geht's um einen ganz konkreten Vorfall.
Heiko Hänsel: Ja, ja warum wird das dann...
Übersetzer: Das war schon korrekt dargestellt soweit.
Thomas Deichmann: ...nun gut, hier ging es um einen ganz konkreten
Vorfall [Frau: Du hast jetzt auch genug geredet!] wie das in dem
Film eigentlich immer wieder genannt wird, daß bestimmte, ganz konkrete
Medienereignisse rausgesucht werden, und die werden verifiziert, was der
Martin auch in anderen Arbeiten gemacht hat, was ich sehr schätze. Aber
gut, das sind Kleinigkeiten, ich denke das tut jetzt nicht soviel zur Sache.
[Nach kurzem Zögern schütterer Applaus nebst
"Woah, woah, woah" von den beiden Frauen aus dem vorderen Bereich.]
Eberhard Seidel: Ich denke tatsächlich, das dass jetzt
wenig Sinn macht, wie das im Film zitiert worden ist, das alles im
einzelnen hier zu diskutieren, da müßten wir uns das noch mal anschauen und
eine Analyse betreiben, das können wir heute nicht leisten.
Meine Frage an Boris Kanzleiter:
ich meine, Thomas Deichmann hatte ja gesagt, es wäre wichtig, also die
Verantwortung des Westens an diesem Krieg also einfach mal aufzugreifen,
vor der eigenen Haustür zu kehren. Ich meine, es besteht natürlich die
Gefahr, also bei so einer Sichtweise, dass das eigene Tun, auch
ziemlich überbewertet wird. Also beispielsweise, der deutschen Regierung,
also es wird ja auch das Handeln Genschers eingebaut in eine Kontinuität
von deutscher Großmachtspolitik, also aus dem Faschismus abgeleitet in
einer Kontinuität.
Es wird also durch sehr suggestive
Bilder in dem Film nahegelegt, also daß es eben eine Fortführung, also eine
Politik ist ohne dass natürlich erläutert wird, was die Ziele von
Genscher sind. Also meine Frage an Herrn Kanzleiter: ist es eine
Reduzierung, wenn man damit praktisch beginnt mit `91, `90/91 und dann
sagt, gibt es eine Intervention oder Einwirkungen von außen in Form von
Politik, beispielsweise von Genscher, und dann kommt es also auf dem Balkan
zur Explosion und zu den ganzen Konflikten und vorher gab´s keine
Geschichte, die möglicherweise zum Konflikt führt?
Boris Kanzleiter: Ja natürlich gab´s da vorher `ne
Geschichte und in sofern ist das eine Reduzierung, wenn man das
Kriegsgeschehen mit `90/91 anfangen lässt, weil natürlich die strukturellen
Ursachen, und zwar die innerjugoslawischen Ursachen in den `80er Jahren zu
suchen sind und vielleicht sogar noch früher in den `70ern, und natürlich
mit dem ganzen historischen Ballast aus dem zweiten Weltkrieg auch
verbunden sind.
Ich denke es ist richtig und
wichtig, eine Kritik an dieser einseitigen Schuldzuschreibung zu üben, die
in den deutschen Medien, in den österreichischen Medien, aber in westlichen
Medien auch ganz allgemein geübt worden ist. Also das "Böse" in
Belgrad lediglich zu verorten und alles andere auszuklammern, den
kroatischen Unabhängigkeitskampf als "Freiheitskrieg"
darzustellen, ähnlich danach dann in Kosovo: das wird natürlich der
Situation überhaupt nicht gerecht, und von daher ist `ne Kritik an genau
dieser Medienberichterstattung absolut notwendig.
Wenn es aber darum geht zu
verstehen, was eigentlich zu dem Krieg geführt hat, dann muß man auf jeden
Fall, die Situation in den `80zigern Jahren auch mit angucken, und da sieht
man zum Beispiel, dass auch durch Einwirkung des Westens nach der
Schuldenkrise von 1980 beispielsweise, ein Strukturreformprogramm in
Jugoslawien durchgezogen worden ist, verschrieben durch internationale
Kreditgeber, durch Weltbank, IWF und so weiter. Ein klassisches
Strukturreformprogramm, das man als neoliberal beschreiben kann, das die
regionalen Disparitäten den reichen Norden, den armen Süden immer weiter
auseinander klaffen lassen hat, zum Beispiel. Das ist auch `ne Einwirkung
des Westens, eine Einwirkung, die nicht kriegsförmig verlaufen ist, die
eher über die Kreditschraube zum Beispiel passiert ist, und wenn man zu
einer Kritik an dem Krieg in Jugoslawien kommen möchte und die nicht nur
lediglich an Einzelpersonen aufhängen möchte, wie an einer fiesen Madelaine
Albright [Heiterkeit 12+] ...oder einer einzelnen, einem
einzelnen Politiker, sondern das strukturell begreifen möchte, dann muss
man diese Faktoren auf jeden Fall mit nennen und das ist mir im Film zu
kurz gekommen, das kommt nicht vor.
Ein zweiter Punkt, den ich noch
nennen möchte ist, daß die ganze Beschreibung, oder die "Machart"
des Filmes mir nicht gefällt, weil Jugoslawien erscheint wie Afrika im 19.
Jahrhundert als Spielball von kolonialen oder imperalen Mächten. Es ist
richtig, daß Interessenspolitik verfolgt worden ist ganz bestimmt stimmt
das in Bezug auf den Kosovokrieg, da ging es um die Durchsetzung der neuen
NATO-Doktrin, beispielsweise. Aber, wenn man, also Jugoslawien oder die
politischen Akteure in Jugoslawien überhaupt nicht zu Wort kommen lässt,
also subjektlos sozusagen das Geschehen läßt, es sind nur Opfer und Täter,
aber es gibt keinen politischen Prozess da drin, dann ist es sehr
problematisch. Also ich glaube nicht, daß man sagen kann, das es einen
Masterplan gab zur Teilung von Jugoslawien ähnlich wie das bei
irgendwelchen Konferenzen der Aufteilung
Afrikas passiert ist. Das ist viel dynamischer alles.
Aber noch ganz kurz einen letzten,
allerletzten Punkt zur Medienkritik noch mal, also, das möchte ich noch mal
stark machen, das ist also ein positiver Aspekt an dem Film und ich möchte
noch mal betonen, daß es eben nicht nur so ist, das die Medienpolitik, die
hier betrieben worden ist, zur Kriegslegitimation in Deutschland lediglich
diente, als völlig überhöhte Opferzahlen im Kosovo zum Beispiel im Umlauf
waren Scharping hat von bis zu 300 000 Toten geredet, vom KZ in Pristina
und so weiter und so fort sondern es hat auch eine ganz direkte
Einwirkung auf das Konfliktgeschehen vor Ort. Diejenigen Kosovoalbaner die
hier in Deutschland, in der Schweiz, in Österreich seit Jahren leben, hier
arbeiten und es ist eine sehr große Gruppe von Menschen, die waren nach
dieser Berichterstattung, wo sie davon ausgehen mußten, daß ihre Familien
in diesem Moment umgebracht werden, daß es Massenvernichtungen gibt
natürlich in einer Weise emotionalisiert, die man nicht beschreiben kann.
Diese Leute sind los, haben sich als Freiwillige für die UCK gemeldet, sind
nach Albanien und von dort aus ins Kosovo einmarschiert. Heute gibt es 250
000 Flüchtlinge aus dem Kosovo Serben und Roma, die vertrieben worden
sind von diesen Leuten, unter anderem unter Anleitung von einer
politischen Führungsclique, die das alles ins Kalkül gezogen hat. Und das
sind natürlich enorme Probleme. Und diesen Problemen muss sich, die
deutschen Medien müssen sich stellen. Und von daher find' ich, daß so ein
Film produktiv sein kann, wobei ich andererseits auch Heikos Kritik an
bestimmten suggestiven Momenten auf jeden Fall teile. In Sarajewo sind
nicht nur drei Granaten explodiert.
[Pause, Applaus 20+]
Eberhard Seidel: Dana, Sie haben den Film auch das erste mal
gesehen, jetzt hier. Es wurde ja von Herrn Deichmann gesagt, es wäre ganz
gut, wenn man erst mal vor der eigenen Haustür kehrt. Meine Frage ist, ob
beispielsweise dieser Film auch eine sehr spezielle deutsche Sicht
wiederspiegelt oder wie Sie den Film also wahrnehmen, also über die ganzen
Geschehen in Jugoslawien?
Dana Budisavljevic: Ja, I'm sorry that I don't speak German. So
Aleks will help me to translate.
Übersetzer: Brauchen wir überhaupt eine Übersetzung ins
deutsche? Wer will eine haben? [Zwei Zuschauer geben Handzeichen] ...gut, dann machen wir eine.
Dana Budisavljevic: So I'm ...I'm here to represent Factum which
is a documentary film project and we produce documentary films in Croatia.
And we are also the one who made this film Operation Storm, Oluja nad
Krajinom, from Bozidar Knezevic whom you see at the beginning of the film.
Übersetzer: Ok, ich bin her gekommen, um das Factum
Documentary Project in Zagreb zu repräsentieren. Wir machen
Dokumentarfilme, u.a. diesen einen Film, der am Anfang im Vorspann gezeigt
wurde, Operation Storm oder Operation Sturm, von Bozidar
Knezevic.
Dana Budisavljevic: And my education is primarily film education.
So I'm not really someone deep in politics, but I could consider myself as
an aware citizen of Croatia. Someone who lived there through whole war
period but also travelled abroad, and I hope that I have kind of objective
picture. I mean I'm not someone really really under the influence of
propaganda.
Übersetzer: Also ich bin von meiner Ausbildung her, komme
ich aus dem Filmbereich und hab' deswegen, also bin ich kein Spezialist
jetzt unbedingt für alle Fragen, die hier in diesem Film so ausführlich
behandelt wurden, aber ich habe dort diese Zeit erlebt, bin auch ins
Ausland gefahren und bin auch ein kritischer Mensch und glaube also, von
der Propaganda nicht gänzlich beeinflußt zu sein.
Dana Budisavljevic: And now I should answer the question?!
[Heiterkeit]
I can't say, I mean for me it's
very, it's interesting to see film like this, because it's talking from
completely another perspective then we are used to. But unfortunately, I
think that they failed really to make a good film, because it goes so much
to one side. They missed the chance to make a really good, objective film.
I think that there are many things that are correctly given in the film,
but then with really making Muslims and Croats some kind of guys who are
doing great all the time, and poor Serbs I don't think that's made from
someone who really understand the conflict.
Übersetzer: Also ich finde es sehr interessant, also diese
Sache von diesem Standpunkt zu bringen. Er unterscheidet sich ja stark von
der Sichtweise, die ich auch von da unten kenne. Meine Kritik ist eben, daß
er sich so sehr konzentriert auf die Taten, die Greueltaten der
muslimischen und kroatischen Seite und daß dabei die serbische Seite eben
so als unschuldig, der Eindruck entsteht, sie hätte eigentlich nichts
gemacht und wäre nur ein unschuldiges Opfer dieser ganzen Sache gewesen.
Dana Budisavljevic: And it's really, this film brings many, really
many distorted picture of what happened, and they really fail, but I think
that my colleagues also were talking about it, as much as I could
understand German. I mean if the film went so detailed in like Croatian
Ustashi how could they really skipped Chetniks and Arkan and Seselj?
I think so, yes, it`s interesting
to see, I think it`s very good these films are made like this, because it
really opens public debate, and I think that is something which is very
needed because we also know that it's still very hot question, and, but,
ja, I must saying that I´m sad it have´nt been better film because I think
they had everything in their hands to make it better.
[Applaus 5+]
Übersetzer: Also ich halte es dann insgesamt so im Fazit
wegen der Einseitigkeit für einen, für keinen guten Film, weil er eben sich
auf die Hardliner von der einen Seite konzentriert, weil Leute wie, oder
auch weil zum Beispiel die Ustascha nur erwähnt werden, was den zweiten
Weltkrieg angeht, die Tschetniks nicht beziehungsweise eben nur in dieser
positiven Hinsicht. Daß Leute wie Seselj, Arkan (Zeljko Raznatovic) und
Milosevic [Frauen aus dem vorderen Bereich: Mladic, Karadzic! Schadenfreude] ja, daß die
da eben nicht entsprechend gewürdigt wurden in diesem Film.
Andererseits, andererseits finde
ich es aber auch gut und wichtig, die Debatte auch in einer so harten Weise
eben voran zu bringen und über diese Sachen zu reden und auch kontrovers zu
diskutieren.
[Applaus 2+, Frauen aus dem vorderen Bereich: Bravo!]
Eberhard Seidel: Ja vielen Dank.
Herr Lettmayer, sie haben den Film
mit produziert. Vielleicht bevor Sie auf einzelne Fragen oder Punkte, die
hier gefallen sind, eingehen, würde mich und sicherlich auch das Publikum
interessieren, wie es zu diesen Film kam, was die Entstehungsbedingungen
waren, zur Entstehungsgeschichte des Filmes, und dann vielleicht auch zu
dieser Frage, die jetzt von Dana kam: das ist kein objektiver Film also
ging es darum, also `ne Gegenerzählung zu dem herrschenden
Definitionsdiskurs, also im Westen eben, zu setzen, Kontrapunkt, vielleicht
so ein bisschen über die Motive, daß Sie erzählen.
Martin Lettmayer: Ja danke mal, daß Sie sich's angeschaut, sich
angetan haben. Es ist natürlich grundsätzlich alles richtig, was ich da
jetzt gehört habe, zur Entstehungsgeschichte des Films später. Es gibt
keinen objektiven Film, und den Anspruch erhebt der Film auch nicht.
[verhaltener Applaus]
Für mich persönlich war wichtig,
erst während Sie den ersten Teil gesehen habe, war der zweite Teil noch
nicht fertig, und ich war dann im Studio und bin um 7 Uhr mit dem zweiten
Teil gekommen. Und dieser Film wurde exklusiv für Sie produziert,
letztendlich, um die Diskussion anzuregen [Applaus 3+] in der
deutschen Version. Es gibt eine amerikanische Version, die drei Stunden
lang ist, aber wir haben die deutsche Version stark verändert. Man könnte
ja auch sagen, mir war in den ersten zwei Minuten dieses Films am
wichtigsten, daß ich einmal vor etwa 100 oder 70 Leuten [130] meine
Trauer über den Tod von Bozidar Knezevic zum Ausdruck bringen konnte, was
mich sehr erschüttert hat. Und das war eigentlich die größte Tragödie für
mich in dem ganzen Krieg. Und man kann sicher mit einigen Müttern in
Zagreb, Belgrad, Pristina oder sonstwo reden, die werden die akademische
Diskussion, die wir hier führen, überhaupt nicht verstehen, die werden auch
sich für den Film nicht interessieren, sondern die trauern heute um ihre
Kinder, um ihre Väter, egal ob's Kroaten, Serben, Moslems oder sonstwas
sind, die Trauer ist die gleiche.
Ich stelle auch fest, die zwei
Damen in der ersten Reihe ärgern sich über mich, das erlebe ich aber auch
öfter. und ich verstehe ihren Ärger auch, aber... [Frau aus dem vorderen Bereich: Wir
sind Opfer!]
...ich weiß! [Dieselbe Frau:
Wir sind Opfer!, aus Bosnien!!] ...ja ich weiß, das Problem ist [Dieselbe Frau:
Schamlos, schamlos!!!] ...ja, ja ich kann keinen, ich kann, ich kann
keinen Film, ich kann keinen Film erzeugen der in einen Konflikt, wo drei
Völker sich gegenüber stehen alle befriedigt, das geht auch in zwei Stunden
nicht und diesen Anspruch hatte ich nicht. Lassen Sie mich so sagen,
vielleicht, die Serben waren Taubstumme in diesen Film, und wir geben ihn
eine Stimme. Und wenn Sie sagen, der Film erzählt die Seite, die serbische
Seite und vielleicht auch ansatzweise die serbische Sichtweise, dann
haben sie mit dieser Kritik Recht. [Dieselbe Frau: To je lud! (Er
spinnt.)]
Was ich ganz spannend fand ist, daß
die Zahl 200 Tote in Srebrenica vorkam. In der deutschen Version kommt
diese Zahl, soweit ich mich erinnern kann, nicht vor. Weil ich's nämlich
ganz spannend finde, [Frau von vorne: Du bist ein...] zumindest glaube ich,
sie kommt nicht vor, ich weiß es jetzt nicht mehr [Dieselbe Frau:...West(entaschen)täter!].
Aber weil das auch im Tagesspiegel... [Heiko Hänsel: Ich hab nur die
deutsche gesehen!] ...im Tagesspiegel gab es eine Kritik dazu unter.....[Frau von vorne:
Sie wissen nicht, wie viele in dem Film!...] ...ich war nicht dabei.
Ich kann dazu en detail nichts sagen. [Frau von vorne: Das ist... ein
Miststück! Boris Kanzleiter: Es wäre jetzt gut, ihn jetzt
aussprechen zu lassen, statt ständig rein zu plappern, wirklich wahr!]
Es ist, es ist so, daß... [einsetzender
Applaus; die beiden Frauen aus dem vorderen Bereich: Pfui! Pfui!]
... also, was man sagt, die ganzen
Schrecken, die hier angesprochen werden, die treffen natürlich zu. Nur ich
hab' als Kriegsreporter, und ich hab' lange unten gearbeitet, ich habe mich
weniger mit Zahlen, ich hab auch die politischen Akteure nicht zu Wort
kommen lassen. Ich bin mit Flüchtlingstrecks mitgegangen und hab' mir das
angeschaut, wie die überleben. Und wenn sie im Vorspann gesehen haben, hab'
ich Erlebnisse gehabt, daß eine moslemische Familie in Bosnien vertrieben
wurde, aus Prijedor. Ich hab' sie dann an der Grenze zu Kroatien, wo man
sie urprünglich nicht rein lassen wollte, getroffen und habe, und habe, der
Vater war vermißt und 6 Wochen später eben haben wir die Familie getroffen
in Karlovac, in `nem Flüchtlingslager, und das waren meine
Standpunkte zu diesem Krieg.
Ob er vermeidbar gewesen wäre, kann
ich persönlich nicht sagen, aber das sagen einige hohe politische
Würdenträger, die hier ausreichend zu Wort kommen..., ja: ich konnte ihn
nicht vermeiden, ich hätte ihn vermieden, wenn ich's gekonnt hätte.
Wenn ich höre, der Film hat die
Schwäche, das er die fiese Madelaine Albright angreift, man muß einfach
sagen, daß Herr Schröder, Herr Fischer und Herr Scharping haben deut...,
ich bin Österreicher, deshalb is' mir des Wurscht... [Heiterkeit,
Applaus 1] ... die deutsche hat, hat das, die deutsche Bevölkerung,
knallhart belogen. Hat die mitbomben lassen, gegen wen auch immer, egal
gegen wen die Bomben, das ist nicht richtig und daß sie sich nicht
darüber empören, daß Sie als Bürger belogen werden und Sie's vielleicht
jetzt das erste Mal begreifen, und anstatt die Schwächen des Films zu
sehen, die er sicher hat, nur: ich müsste ihnen ein Zwanzigstundenwerk
vorführen, das annähernd, annähernd alles das drinnen ist, was ein
objektives Bild gibt, und dann gebe ich auch zu, ist man durchaus als
Journalist, auch noch als Mensch, auch noch vielleicht in die eine oder
andere Richtung einseitig, "one-sided", um's auf Englisch zu
sagen, daß erst wieder kein objektives Bild entsteht. Mit der Sichtweise
des Krieges, die ich habe, werde ich Sie, gnädige Dame, nie befriedigen.
Den Anspruch kann ich auch nicht erfüllen. Ja, mehr will ich dazu auch
nicht sagen. [Applaus 30+]
Übersetzer: Ich möchte nur ganz kurz irgendwie dazu also,
Martin Lettmayer hier noch korrigieren. Es kam vor, diese Zahl von 200, die
auch im Tagesspiegel dann eben kritisiert wurde und eben auch von Heiko
Hänsel. Also was der Film dazu gesagt hat, ich möchte es einfach nur mal
ganz neutral noch mal wiederholen, weil es ist natürlich auch schwer, das
alles mitzukriegen. Ich hab' auf die Passage deswegen auch besonders
geachtet. Also es geht darum, daß ursprünglich die Zahl von etwas über 7000
gebracht wurde, daß die offizielle Zahl dann auch mittlerweile bei 4000
liegt. Das wird beides im Film so genannt, und daß das
Kriegsverbrechertribunal in Den Haag einen bestimmten Soldaten [Drazen
Erdemovic, vgl. http://www.un.org/icty/glance/erdemovic.htm], der ein
Kroate war, das glaub' ich, der auf der serbischen Seite gekämpft hat, eben
vernommen hat. Der hat behauptet, daß er an einem Massaker teilgenommen
hat, bei dem 1200 Menschen umgebracht wurden, und dann wurde diese Sache
eben von Ermittlern recherchiert und sie haben an Ort und Stelle eben "nur
200" Leute gefunden. So ist die Sache in dem Film, [zu Heiko Hänsel
gewandt:] in dem Sinne stimmt es auch eben nicht ganz, daß der Film
sagt, in Srebrenica sind nur 200 Leute umgekommen, [Hänsel nickt
entschuldigend-zustimmend] sondern die Zahl von 4000, die mittlerweile,
die offizielle Zahl der UN ist heute, wird auch in dem Film genannt... [Frauen von vorne:
Mehr, mehr!] ...die 200 bezieht sich eben nur auf diese eine
Zeugenaussage, auf diesen einen Vorfall. [Frauen von vorne mit
beträchtlicher Empörung: Sto kaze! (Was er nicht sagt!) ]
Eberhard Seidel: OK, nachdem wir das geklärt haben... [Heiko
Hänsel: Nemojte stalno brbljati! Molim vas! Hvala! (Quatscht nicht
ständig dazwischen! Ich bitte Sie! Dankeschön!)] ...das hab ich zwar
jetzt nicht verstanden, aber OK...[Heiterkeit]
[Kanzleiter: Was soll denn das hier, ist doch wirklich quatsch, also...]
...nachdem's geklärt ist, eigentlich können wir die Runde jetzt hier oben
fast abschließen, weil es wurden bestimmte Aspekte rausgestellt, wo sich
vielleicht alle drauf einigen, daß diese Medienkritik ein positiver Aspekt
des Filmes ist. Auf der einen Seite, also was Herr Lettmayer auch sagt, ich
mach' auch `ne einseitige Sichtweise, ich hab' überhaupt nicht den
Anspruch, sonst muss ich einen Zwanzigstundenfilm machen, der Objektivität,
sondern ich setze dem, den Lügen, die also verbreitet wurden, über die
Jahre hinweg, meine eigene Sicht der Dinge hinweg, ähm: meine eigene Sicht
der Dinge entgegen.
Ja, damit können wir eigentlich
auseinander gehen [lacht], aber wir können auch noch ein bißchen
weiter diskutieren, inwieweit es legitim ist, also so 'ne einseitige Sicht,
also auch der Entwicklung auf dem Balkan in den letzten Jahren,
entgegenzusetzen, oder ob man wieder an Legenden spinnt, ich hab es
eben draußen gesagt, ich finde den Film beispielsweise sehr
suggestiv. Er arbeitet mit sehr suggestiven Bildern. Ich mach' das mal an
einem Punkt deutlich. Als die Politik Genschers, die Anerkennungspolitik
Genschers bezüglich Sloweniens und Kroatiens gezeigt wird, dann werden die
Bilder von der Ustascha, die historische Kontinuität, gezeigt, also die
Leichen, die in die Gräber geschaufelt werden, und es wird ein Text darüber
gelegt der aktuellen Entwicklung der `90er Jahre. Das meine ich also mit
sehr suggestiv, also auch mit Rückgriff auf propagandistische Elemente. Das
ist, was für mich den Film entwertet, beispielsweise. Warum haben Sie
beispielsweise diese ....[Applaus 5+] ...Bilder benutzt?
Eine Frau aus dem Publikum: Ich hab den ehemaligen, ja Bundespräsidenten
Weizsäcker sehr, sehr geschätzt. Ich habe praktisch immer auf seine Rede
gewartet bei irgendwelchen Anlässen, weil ich meinte, daraus auch was zu
lernen. Und anläßlich des Anfangs des jugoslawischen Krieges sagte er in
einem Interview: "Es ist ja in der Geschichte so, und naturgemäß, daß
Kroaten und Deutsche Verbündete sind" und da hab ich mich gefragt:
wobei? Wobei eigentlich, das ist das eine. Das andere...
Eberhard Seidel: ...Moment! Ich muß jetzt mal unterbrechen,
weil ich glaube wir sind noch auf der Diskussion hier auf dem Podium und
ich werde dann gleich öffnen in 5-10 Minuten.
Martin Lettmayer: Ich fand das jetzt eine ganz interessante
Frage, weil ich mir nämlich auch die Frage stelle, warum hat der, oder
warum sollte der deutsche Geheimdienst ein Interesse haben an einem Zerfall
Jugoslawiens, und kann diese Frage mir selbst nicht beantworten. Ich stelle
nur fest, daß es Menschen gibt, die das behaupten, und diese Menschen haben
Sie reden hören.
Jetzt könnt' ich allerdings sagen,
die Dame rechts von mir wünschte sich, daß ich, ich hätte sie nicht reden
lassen. Ich hab's einfach mal vorgeworfen und sie kann ja drauf rumtrampeln
oder was aufgreifen, oder es in ihr Herz schließen oder verbrennen. Es gibt
viele Fragen, die ich ihnen so also auch nicht beantworten kann.
Zur Suggestion, ja, das mag
suggestiv sein, ich muss mir das noch mal genau anschauen... [auftosendes,
hämisches und herzhaftes Lachen setzt im gesamten Saal ein, 40+]
...der Film, der Film, wissen Sie ich mache normale, ich mache normale, ich
kann ihn nur eine Geschichte sagen, ja. Ich habe, ich hab' 6 Jahre mit
Günther Jauch Stern-TV gemacht. Ich mach' jetzt mit Ulrich Meyer ein ganz
ein billiges Boulevardmagazin und bin eigentlich ein Fernsehjournalist, der
ein paar Dokumentarfilme gemacht hat. Und zwei Jahre bin ich in Bosnien
rumgerannt und habe für internationale TV-Networks Berichte gemacht. [Frau
1: Das merkt man. Frau 2: Das merkt man wirklich.] Aber das,
deswegen ist das, ich sag' mal auch `ne Herausforderung. Ich seh' die Welt
eher etwas banaler und nicht so kompliziert, wie die Menschen, die uns dann
in den Tod treiben.
Zur Suggestion, also ich schau's
mir noch mal an! Dieser Film lauft nicht so wie meine anderen Filme vor 4
Millionen Leuten "Audience". Dieser Film lauft vor Ihnen! Und
wenn ich mit einer so ausgewählten Audience eine Passage drinnen habe, muß
ich sofort erkennen, daß sie suggestiv ist, dann ist es zumindest so
ehrlich gemacht, daß sie sofort erkennen, das ist suggestiv... [Empörung
aus dem Publikum ertönt ca.6] ...nee also, es wird mir vorgeworfen, ich
hätte das Wort "occupying force" einmal übersetzt mit
"Eroberungsmacht", stimmt: ist `ne falsche Übersetzung, aber Sie
hören's zumindest im Englischen [hysterisches Lachen im Publikum],
insofern ist es auch wieder ehrlich.
Eberhard Seidel: Also Herr Lettmayer. Sie haben `ne charmante
Art, jegliche Einwände an dem Film an sich abprallen zu lassen... Mal
gucken, wie weit das führt. Boris.
Boris Kanzleiter: Also ich muß jetzt ehrlich sagen, daß ich das
sehr schwach finde, was von Ihnen kommt, weil [einsetzender
Applaus 10+] sich einfach darauf zurückzuziehen, daß
irgendjemand, daß, daß irgendjemand was sagt, ich meine, das ist natürlich
nicht korrekt, weil man kann ja auch andere Leute interviewen, die sagen ja
was anderes. Also es muss ja `ne Intention haben. Der Punkt mit den
Ustascha, wollte ich jetzt noch mal sagen, ich mein', da kann man doch dazu
was sagen. Ich meine, Tudjman selbst hat diese historischen Analogien
gebildet. [Frau: Stimmt!] Ich meine, als die kroatische
Nationalbewegung Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre starr
geworden ist, haben die angefangen Ustaschalieder zu singen, haben selbst
diesen ganzen Mythos verbreitet, von daher find' ich's eigentlich gar nicht
so schlimm, ja, wenn man Genscher zeigt, der irgendwas erzählt über die
Völkerfreundschaft zwischen Deutschland und Kroatien, und danach natürlich
diese historische Analogie reinbringt, weil sie geschichtsmächtig ist und
weil sie eine verdammte Rolle gespielt hat natürlich für die
Radikalisierung der Serben in Kroatien! Aber dann muss man's auch sagen und
sich nicht zurückziehen sozusagen hinter irgendein Zitat von irgend `nem
komischen Politiker.
Also das ist ein Punkt, und damit
komme ich zum zweiten Punkt, wegen der Suggestion. Dann muss man allerdings
auch immer ehrlich bleiben, wenn man die Sachen benennt. Es war ein Bild zu
sehen von der Bombardierung von RTS in Belgrad. RTS ist zerlegt worden von
Natobomben, also die Fernsehstation, Radio- und Fernsehstation in Serbien.
Belgrad ist bombardiert worden, was ganz klar gegen kriegsrechtliche
Bestimmungen verstößt. Es dürfen keine Medien bombardiert werden, selbst
wenn sie Propaganda verbreiten, das ist verboten, ja?
Das Ding ist allerdings, es sind 16
Leute dabei umgekommen. Das Ding ist allerdings, daß der Direktor von RTS
wohl auf irgendeine Art und Weise man weiß es nicht genau die
Vorwarnung hatte, daß dieses Gebäude bombardiert würde und die Leute nicht
evakuiert hat, deswegen gab's `nen Gerichtsprozeß jetzt in Belgrad, und die
Leute, die Opfer, also die Familien der Opfer, Recht bekommen gegenüber
diesem, diesem Chef von RTS.
So was haben wir jetzt damit,
darauf will ich jetzt eigentlich hinaus. Man kann erzählen, daß die Nato
RTS bombardiert hat, das ist richtig, das war ein Kriegsverbrechen.
Andererseits ist es suggestiv, wenn man dann das andere Ding dabei
weglässt. Das ist ein Problem.
Dann noch einen anderen Aspekt, den
ich gerade einbringen wollte, weil Sie mich angesprochen hatten mit
Madeleine Albright. Ich finde es ein Problem, wenn man personalisiert, also
wenn man, wenn man, wenn man soziale Prozesse, gesellschaftliche Prozesse,
politische Prozesse zuspitzt und lediglich einzelnen Personen in die Schuhe
schiebt. Das ist einfach unhistorisch und das wird dem Prozeß nicht
gerecht. Das ist ein Problem. Und da finde ich, man kann natürlich,
natürlich gibt es handelnde Personen, die muß man auch anpissen und
angreifen, aber dann muß Hintergrund dazu kommen. Und das fehlt in dem
Film, das ist einfach meine Kritik.
[lautstarker Applaus 20+]
Heiko Hänsel: Ich möchte auch noch mal eine grundsätzliche
Anmerkung machen. Es ist ja doch jetzt sehr deutlich geworden, das Sie, äh
du, darf ich du sagen...[Martin Lettmayer: Ja, ja...] ...dass
du Medienkritik machen willst. Ich halte mal dagegen, det interessiert mich
nicht. Det interessiert mich überhaupt nicht! Mich interessiert: was war.
Ich will doch wissen, was war Jugoslawien? War es Milosevic, der
Jugoslawien kaputt gemacht hat? Waren's die bosnischen Fundamentalisten?
War es nicht doch Madelaine Albright, die schon, obwohl sie noch gar nicht
Außenministerin war, Jugoslawien zerschlagen hat? Also: das will ich doch
wissen, ja. [Zwischenruf aus dem Publikum] ...ja, natürlich
ist das `ne rethorische Frage, aber und... ich muss auch noch `ne Anmerkung
zur journalistischen Methode machen, gerade vor diesem Hintergrund, was
war. Also ich habe mich damit sehr intensiv auseinandergesetzt, mit den
jugoslawischen Nachfolgekriegen, warum Jugoslawien zerfallen ist, vor allen
Dingen, welche Anerkennungspolitik Deutschland betrieben hat, wo ja vieles
im Dunkeln ist. Mir gefällt nicht, daß du die Daten nicht schreibst und die
Orte. Es ist in diesem Konflikt so von eminenter Wichtigkeit, wann wer was
gesagt hat, wann wer was getan hat! Ob das `92 war, `91, `95... und das
purzelt in einer Art und Weise in dem Film durcheinander, die bei einer
Medienkritik kann man vielleicht darüber hinwegsehen aber in dem
Augenblick, wenn ich das, weiß ich nicht, meinem 14jährigem Sohn zeige, mit
welchem Bild geht er da raus, von dem...? Der sagt "OK, es ist alles
undurchsichtig, die Serben wurden irgendwie als schlechte Leute
dargestellt", aber von der Essenz des Konfliktes kommt nichts rüber.
Das war, wie gesagt, nicht die Intention des Filmes, aber das ist ein
Grund, warum ich zum Beispiel mit meiner historischen Ausbildung so `n Film
nie so machen würde wie du. Weil ich immer fragen würde: was war? Auch,
auch frage: wer hat Schuld? Wie waren die Handlungsoptionen? War es
richtig, zu intervenieren? War es richtig, zu riskieren, einen Zug zu
bombardieren? War es richtig, zu riskieren, ein unschuldiges Dorf zu
bombardieren in Aleksinac?
Das sind doch die, also, und vor
allen Dingen auch immer wieder bei der, bei der journalistischen Methode,
mit der auch Thomas Deichmann arbeitet. Ich komme aus einem anderen
Diskurs. Ich komme aus dem Historikerdiskurs. Mich hat keiner belogen. Ich
war für die Intervention. Ich hab' die serbischen Historiker gelesen. Ich
hab' die albanische Geschichte studiert und, und, und. Mich hat keiner
belogen. Ich habe meine Entscheidung frei getroffen, und immer diese
Unterstellung, alle, die das unterstützt haben, waren blöd' und ticken
nicht ganz richtig, und jetzt erfahren sie das erste mal die Wahrheit, das
finde ich ziemlich... [Stimmen aus dem Publikum werden lauter,
eine sagt: Arsch!] ...danke! [Frau: Das ist so!] ..., das
finde ich nicht in Ordnung. [Harald Kampffmeyer: Anstiftung zu
Straftaten!]
Eberhard Seidel: Ja, das war Heiko Hänsel und jetzt wollte Herr
Lettmayer noch mal sprechen, und anschließend dann Herr Deichmann.
Martin Lettmayer: Ich finde es ja immer spannend, also ich muss
mal sagen, um's klar zu machen, ich weiß selbst, dass das nicht das
Standardwerk zum Jugoslawienkrieg war, ja. Lassen wir's. Der Film, das kann
der Film nicht leisten, und ich habe den Film auch nicht gemacht für `nen
Historikerkonvent... [Heiko Hänsel: Ich habe doch anerkannt, das es
`n Medienfilm ist!] ...ja, ich muß mal sagen: wenn du für die Intervention
warst ja, also ich hatte keine Meinung für oder gegen, ich bin
grundsätzlich gegen Interventionen und gegen Krieg... [Hänsel: Dann
warst du doch dagegen!] Nein! Ich, ich muß, es ist, ich sag mal so, mir
sind Leute suspekt, die sagen: "Ich war für die Intervention",
ja. Wer auch immer sich da ... [lautstarker Applaus 40+; "Boah"-Rufe
der Frauen aus dem vorderen Bereich]
Zur Chronologie: es ist keine
Chronologie und auch kein Standardwerk, aber das ist sicher ein
Punkt wo, wie das die Schwächen des Films, da kann ich ja drüber
nachdenken, das kann man ja alles noch ausbessern.
Bei RTS, ich habe öfter mal, wenn
ich einen Film mache ja, und egal ob der im Fernsehen läuft oder auf `m
Dokumentarfilmfestival, wo immer der läuft, die Leute sagen mir immer, das
interessiert mi net, i möchte was anderes sehen, dann sag ich: dann schau
dir was anderes an, ja? Weil, ich kann, jeder sagt, da hätt` ich noch gerne
mehr dazu gewußt, und da hätt' ich noch gerne mehr dazu gewusst, und es
gibt zu jedem Thema immer die Forderung in der Audience, da hätt` ich noch
mehr gesehen. Sei es im Spielfilm, daß die Kußszene zu kurz war, oder
sonstwas. Und das ist a Ebene, auf die kann ich mich als Filmemacher nicht
herunterbegeben, weil ich immer vor dem Loch stehe, ja? Und die ein
paar inhaltlichen Fehler oder Schwächen, die der Film zu haben scheint, das
ermuntert mich, noch mal darüber nachzudenken, ja, oder sie auszubessern,
das nehme ich gerne an.
Der Film ist, wenn Sie wollen,
proserbisch. Ja, is' er. Das will ich nicht in Abrede stellen. Ich habe den
Serben eine Stimme verliehen. Und Sie haben 10 Jahre in diesem Land die
andere Stimme gehört und dann... [vereinzelte Zwischenrufe, Applaus]
...und dann, und dann, 10 Jahre haben Sie die andere Seite gehört und dann,
also die kroatisch-moslemische Seite, die Madeleine-Albright-Seite, die
weiß-der-Teufel-was-Seite, und dann macht die serbische Seite einmal... [Frauen aus dem vorderen Bereich:
Aber Genozid, wo ist Genozid?] ...und dann regen Sie sich auf. Es
gab keinen Genozid, und wenn sie Ihn noch so hervor, es gab keinen, es gab
keinen. [nochmals die Frauenstimme, hörbar erregt: Wo ist Film, wo
ist Bild aus Sarajewo, wo ist Bild aus Vukovar... Lettmayer: Die
haben Sie alle gesehen... Frau: Dumm, er dumm! Mann: die hat
er alle gezeigt Frau: Hat er Geld bekommen!]
Eberhard Seidel: Ja, das wird alles Herr Lettmayer überhaupt
nicht in Abrede stellen. Er hat ganz klar gesagt, daß er einen
proserbischen Film gemacht hat. [Frau 1: Proserbisch! Frau 2:
Pro-Milosevic!] Die Frage ist nur, die ich also auch noch an Herrn
Deichmann stellen möchte, ob man der Situation auf dem Balkan gerecht wird,
wenn man ganz klar sagt, ich mache einen proserbischen Film, das ist ja
auch klar, der Film hat ja auch `ne Botschaft, die jeder mitbekommen hat.
Opfer sind erst mal die Serben. Sie reagieren, also das ist, was sich durch
den Film zieht, Massaker verübt von kroatischer und von bosniakischer
Seite. Aber das wissen wir alle, daß das nicht der Verlauf war, also des
Krieges. Was gewinnt man, also mit dieser Sichtweise, proserbischen
Sichtweise, außer daß man sagt, OK, man bedient beispielsweise ein
bestimmtes linkes Publikum, also in der Bundesrepublik Deutschland, die das
schon immer so gesehen haben? [Schütterer Applaus 4+]
Thomas Deichmann: Ich meine, es ist `ne interessante Diskussion,
weil ich hab den Film eigentlich "weder noch" gesehen, vielleicht
weil ich die Geschichten auch alle kenne. Es waren viele so
Revuegeschichten, einfach noch mal das alles zu sehen, was damals Kollegen
wie David Binder oder der, der John Roy MacArthur recherchiert haben und
händeringend versucht haben, das in ihren Medien unterzubringen, es nicht
untergebracht haben. David Binder, ein Korrespondent der New York
Times in Washington, hat seinen Kram nicht in der New York Times
untergebracht, das muß man mal sagen. Und ich meine, jeder der damals
versucht hat ein bisschen ... [Bandwechsel, es fehlen 30 Sekunden]
...die sich, die lokalen Eliten in
bestimmte Richtungen getrieben haben, einerseits eben die Abspaltung
beziehungsweise den Laden irgendwie zusammen- und dichtzuhalten, von den
Serben. Und er hat auch keinen, überhaupt keinen analytischen Anspruch zu
erklären, warum die westliche Politik das gemacht hat.
Diese Suggestion mit dem dritten
Reich, die ist, gut, die hab ich nicht gesehen, aber weil ich
wahrscheinlich auch einen anderen Blickwinkel habe. Auf der anderen Seite
ist mir so ein Hinweis auf so was lieber, als daß ich 1993 auf
irgendwelchen Konferenzen oder bei irgendwelchen Veranstaltungen
westlichen, ausgebildeten Journalisten erklären muss, was is `n eigentlich
`n Ustascha, ja? Was is`n das? Gab`s das und was war das? Da ist mir mal
so'n Hinweis auf so `ne Geschichte, auf so'ne Episode in der Geschichte
lieber, weil sie vielleicht den ein oder anderen dazu treibt, ein Buch von
Broszat oder von anderen renommierten Historikern mal anzugucken und sich
ihre Gedanken zu machen. Ich halte auch nichts von den Theorien, daß das
alles irgendwie nur Verschwörung ist und jetzt wieder mit der Geschichte
aufgeräumt werden mußte, das ist Quatsch.
Aber der Film hat keinen
analytischen Anspruch und ich denke wir sollten auch bei der Diskussion
jetzt nicht so tun, ich meine, der Martin hat's ja selbst gesagt, daß
dieser Film alle Fragen beantwortet. Er provoziert, er provoziert
knallhart, und er provoziert in meinen Augen in die absolut richtige
Richtung. Und natürlich gibt's zu jeder Geschichte noch weitere
Geschichten, die RTS-Geschichte: Ich bin zwei Tage vor dem Bombardement in
Belgrad gewesen. Zwei Tage danach wieder, und hab gesehen, was da für `n
Trümmerfeld übrig war. Interessanterweise, und das ist zum Beispiel auch
bestätigt, natürlich hat der Chef ja, von RTS nicht gesagt, "Jungs,
macht, daß ihr nach Hause kommt", das war Nachts um drei oder um vier
der Angriff, sondern hat möglicherweise, das ist die Spekulation, damit
gespielt, ein paar serbische Opfer zu produzieren, um das ausschlachten zu
können. Interessanterweise hat aber CNN einen Tag vorher und das hat ein
CNN leitender Redakteur gesagt `ne Vorwarnung bekommen, daß RTS
möglicherweise ein "target" ist und deshalb zu diesem Zeitpunkt
des Angriffs keine westlichen Journalisten im Gebäude waren, ja. Also
gibt's da noch tausend verschiedene Geschichten, ja, aber die Richtung, in
die dieser meinetwegen einseitige Dokumentarfilm geht, finde ich absolut
Klasse, finde ich wichtig und es sollte mehr diskutiert werden. [Applaus
20+]
Ein Punkt noch, weil meine
journalistische Arbeitsweise angesprochen wurde. Ich bin nie als, was
Martin teilweise gemacht hat, als, als Kriegsreporter unterwegs gewesen,
daß ich jeden Abend irgendwo vor `ner Kamera, irgendwelche Stories erzählen
musste, was nun irgendwo passiert ist, sondern ich mach' investigativen
Journalismus und hab wie gesagt, relativ früh durch `ne bestimmte
Einstellung vielleicht auch zu gucken, was hier zu Hause los ist, was es
mit der Anerkennung auf sich hat die westlichen Medien beobachtet. Und
was ich gemacht hab', ist glaub' ich, was man viel mehr bräuchte, statt
Meinungsmache und Meinungsjournalismus, wirklich ganz detaillierten
investigativen Journalismus, was Martin teilweise auch gemacht hat zu
bestimmten Geschichten über Massenvergewaltigungslager und Kram, die er
aufgedeckt hat, daß das reine Propagandageschichten waren. Daß man so
Sachen hinterfragt, statt sie einfach nur nachzubeten, ja? Ich meine,
Deutschland ist nicht umsonst, gilt weltweit als das Land mit den größten
Meinungsmachern, auch im Journalismus. Da sind selbst amerikanische
Kollegen oder britische Kollegen, die investigative journalism betreiben,
noch um ein großes Deut besser, wie vieles, was hier in der deutschen
Medienlandschaft abgeht. [Applaus 5+; Mann: Und trotzdem kommste
dann mit Einseitigkeit nicht gegen an, das ist doch genau das gleiche!]
Eberhard Seidel: OK, also ich würde jetzt vorschlagen, daß wir
die... [Wortgefechte im Publikum, u.a.: Mann: Du kannst doch
nicht die Propaganda der anderen Seite verteidigen! Frau: Das war
nicht Propaganda, bitteschön! Mann: Er hat doch gerade zugegeben,
daß der Film nicht objektiv ist, sondern einseitig war! Thomas
Deichmann: Das habe ich nicht gesagt, meine Artikel sind immer
objektiv. Frau: Es ging darum, der anderen Seite einmal eine Stimme
zu verleihen! Frau: Warum sollen die anderen nicht auch einseitig
sein?!] ...so, jetzt sind wir an dem schwierigen Punkt angelangt,
daß das Publikum mit dem Podium diskutieren soll und wir uns jetzt auf ein
Verfahren einigen müssen, entweder alle durcheinander oder nach Aufruf,
also erst mal hier:
Mann im Publikum: Ja mein Name ist Harald Kampffmeyer,
zu der Frage der Einseitigkeit oder der Ausgewogenheit. Der 1.September
1939 hatte auch ein klares Bild, wer Aggressor war und wer nicht. Und dann
zu fordern hinterher: es muss schön ausgewogen berichtet werden
die Polen sind Übeltäter, die deutschen sind Übeltäter, nur schön
ausgewogen das wird der wahren Lage nicht gerecht, dort unten auch nicht.
Wenn Sie sagen, es gab keinen Masterplan, dann gucken Sie sich mal die
amerikanische Sicherheitsentscheidung NSDD empfehlen, Nr. 33, von `82, und,
Entschuldigung: Nr. 54 von `82 und Nr. 133 zu Jugoslawien von der
Reagan-Administration, wo die Zerschlagung Jugoslawiens schon mal
vorbestimmt worden ist.
Boris Kanzleiter: Das ist falsch! Da steht nämlich drin, daß
es 'ne Transformation zur Marktwirtschaft geben soll. Es ist nicht die Rede
davon, daß die staatliche Souveränität Jugoslawiens aufgelöst werden soll.
Harald Kampffmeyer: Wie bleibt denn die Souveränität eines Landes
unberührt, wenn eine ausländische Macht bestimmt, wie die Verhältnisse in
dem Land sein sollen?
Boris Kanzleiter: Ja, das ist aber kein Automatismus. Die
Politik der, die Politik...
Harald Kampffmeyer: Keine Privatdiskussion dazu!
Eberhard Seidel: OK. Keine Zwiegespräche, bitte. [Unruhe im
Saal] Also jetzt waren noch weitere Wortmeldungen hinten, also, wir
haben nicht viel Zeit, und ich würde bitten, die Statements oder Fragen,
also hier hinten an der Wand war, genau...
Frau: Ich wollte sagen, ich bin von Beruf Lehrer,
und hab' die ganze Zeit, zehn Jahre lang, die Berichterstattung hier
verfolgt. Und ich habe Verwandtschaft in Dubrovnik in dem schönen
Dubrovnik. Konnte jeden Abend hier sehen, daß meine Stadt in Trümmern
liegt, rufe ich verzweifelt zu Hause an, stelle fest: Meine Schwester sitzt
am Fenster, schaut auf's Meer, es ist ruhig. Ich sehe im Fernsehen
Berichte, wie die serbische Armee in Dubrovnik einrückt, tatsächlich, weil
ich ja die Lage kenne, die ganze Umgebung kenne, stelle ich fest, daß sich
die Paramilitärs, deren Panzer, und zwar Leopard, das fahren sie, ist in
andere Richtung unterwegs, nämlich von Dubrovnik in Richtung Montenegro.
Das so als Beispiel, wie hier über Jahre berichtet worden ist.
Noch eine Sache, die ich auch genau
kenne: in Dubrovnik sind ganz legal, noch vor 1990, wenn Sie nach Ursachen
fragen, fast 200 Häuser gesprengt worden, mit großem Aufmarsch des Mobs.
Auch noch, zur Betrachtung: und zwar, warum? Eine Kommission wurde
gegründet, die überprüfen will, mußte, ja: sind die Häuser, die gebaut
sind, konform mit der Baugenehmigung. Siehe da, die waren's nicht. Und
siehe da: die waren alle serbisch.
So, weiter: Dann schlage ich
Spiegel auf und stelle fest: "Völkergefängnis Jugoslawien",
"Terror der Serben". In Dubrovnik ist fast jeder Serbe entlassen
worden, ohne irgendeine Arbeitslosenunterstützung oder sonstwas, waren die
Leute bereits ethnisch gesäubert. Das hat ja hier keine Stimme oder keine
Aufmerksamkeit erregt. Aber die hatten keine Arbeit, keine
Arbeitslosenunterstützung, mußten also Dubrovnik verlassen, ein Tag, und
und und...
[Unruhe, Zwischenrufe]
Ja, aber, so, auf diesem
Hintergrund, sehe ich diesen Film, nach all der Dämonisierung, daß einer
sagt: es gibt auch diese Seite! Und das, ich glaube...
Eberhard Seidel: Ich glaube, das ist deutlich geworden. [Applaus
20+]
Mann: Ich wollte nur sagen, daß mir diese, die
Balkan Black Box, diese Filme, bis jetzt sehr gut gefallen haben, ich habe
gestern den Pavilion 22 gesehen, ein ausgezeichneter Dokumentarfilm. In
Ihrem Fall muß ich wirklich sagen, das ist wirklich schlechter
Journalismus. Und die Frage ist die, nicht die Botschaft. Man kann kritisch
damit umgehen, soll man, man muß sogar, die internationale Rolle kritisch
hinterfragen. Und man muß eben auch die, hinterfragen, wieso Serbien diese,
"the bad guys" waren in unseren Medien, zumindest dem großen Teil
der Medien. Da stimme ich Ihnen zu. Nur, wenn man Journalist ist, und wenn
man ein Konsument des Journalismus ist, dann hofft man, daß die Fakten, die
geliefert werden, auch irgendwie stimmen, die Fakten. Bei Ihnen stimmen die
Fakten von A bis Z, zu `nem großen Teil, nicht. [Lautstarke Empörung vom
Podium und Zuschauern.]
Ich kann Ihnen zwei, drei Stellen
sagen. Es stimmt beispielsweise, in der Diskussion geht's: Oluja, das war
sehr prominent, geht die Zahl der vertriebenen Serben in einer der größten
Vertreibungen 1995, zwischen 125 und 250 Tausend. Sie sagen ohne Probleme:
700 Tausend.
Martin Lettmayer: "Sollen" sage ich, 700 Tausend
sollen, ich sage nicht, es sind: sollen!
Mann: Ich könnt das weiter fortführen,
wahrscheinlich bin ich...
Eberhard Seidel: Wir haben ja vorhin auch schon ähnliche
Kritik gehört. Also ich denke, noch mal an Sie gerichtet, und Sie sollen
die Möglichkeit haben, nach dem heftigen Angriff nochmal drauf zu antworten.
Martin Lettmayer: Also ich finde... solche Kritiken liebe ich
ja. Und zwar: Sie haben sich, und lassen sich jeden Tag, aber seit
Jahrzehnten, verarschen [Heiterkeit, lautstarker Applaus, 20+], und
Sie haben zehn Jahre lang guten Journalismus zu Bosnien, zu Serbien,
gelesen, Sie werden in den nächsten zwei Jahren guten Journalismus zum Irak
lesen [Heiterkeit], dann ertragen Sie doch zwei Stunden schlechten
Journalismus! [lautstarker Applaus 20+, Bravorufe]
Mann von vorher: Ich war zwischen 1992 und jetzt eigentlich
fast zum großen Teil in Kroatien und Bosnien.
Martin Lettmayer: Da haben Sie die besten Zeitungen, ja! [Ein
anderer Mann zum Mann von vorher: Wären Sie doch mal nach Serbien
gefahren]
Mann von vorher: Ich hab nicht nur die deutschen, sondern
auch die anderen Seiten gelesen. Deswegen glaube ich nicht, so verarscht
fühle ich mich gar nicht. [Harald Kampffmeyer: 1940, in
Hitlerdeutschland, sind die auch dorthin gefahren!]
Caroline Fetscher: [An Martin Lettmayer gewendet:] Eine
Frage an Herrn Kranzleitner. Ich kann einfach nicht begreifen...
Boris Kanzleiter: Das bin ich!
Caroline Fetscher: ... daß jemand. Sorry [lacht nervös],
an den Filmemacher! [Lautes Lachen im Saal] Ja, ganz klar. [An
Boris Kanzleiter:] Das ist, äh: Jungle World, stimmt's? [BK:
Ja.] Okay. Ja, an den Filmemacher.
Ich kann nicht begreifen, als
jemand, der sich auch seit vielen Jahren mit dem Balkan beschäftigt, dort
war, die Sprache gelernt hat, etcetera, darüber schreibt, darüber liest,
mit vielen Leuten spricht, wie man sagen kann, das könnte ich absolut
nicht!: Ich mache eine proserbischen, oder einen probosnischen, oder einen
prokroatischen Film. [Applaus 10+] Ich begreife einfach nicht, wie
man ethnisch, wie man ethnisch [brüllt in das Mikrofon, das Seidel ihr
gegeben hat:] ethnisch!!! denken kann, da wo Ethnizität, Rassismus,
eine solche immense Rolle im Brainwashing großer Teile der Bevölkerung
spielen. Ich verstehe nicht, ehrlich gesagt, ich finde es nicht nur
verantwortungslos, ich finde es schamlos, schamlos gegenüber der dortigen
Bevölkerung, schamlos gegenüber Leuten, die davon in Mitleidenschaft
gezogen wurden, ich finde, es zeugt davon, daß ein Minimum, wenn überhaupt,
ein Mangel, ein absoluter Mangel an Empathie in Ihrem seelischen Apparat
vorhanden ist. [Hämisches Lachen, Pfiffe] Ja, sorry, sorry. Das kann
ich nicht anders erzählen. Das kann ich nicht anders sagen.
Und ich möchte noch dazu sagen, ich
habe mir diesen Film viele Stunden lang angeguckt, mit Vor- und
Zurückspulen, etcetera, ärgere mich über diese Zeitverschwendung in meinem
Leben, hab dann im Internet sehr lange nachgeforscht, ich habe mit
Erstaunen festgestellt, daß auf der Internetseite von diesem Film etwa
sieben Links sind, die unter der Überschrift "Links we like"
dahin weisen zum International Conservative Network, wo antischwule, antimuslimische,
antisemitische, und sonstige, wirklich absolut, sagen wir mal: halbseidene,
unseriöse Sachen sich befinden. Wo ich nur sagen kann: für mich ist das
abgelegt. So kann man nicht verfahren mit Menschen, nicht mit Geschichte,
nicht mit dem Leiden anderer Menschen, und nicht mit den Leiden einer
ganzen Region, um es zu vermarkten und sich damit provokant in Szene zu
setzen. Also, ich find's absolut unzulässig, illegitim und peinlich. [lauter Applaus
20+]
Martin Lettmayer: Also ich muß mal ganz kurz sagen, mit der
amerikanischen Website habe ich gar nichts zu tun, ich weiß nicht einmal,
was da drauf ist. [Zwischenruf: Ja, du weißt ja von dem ganzen Film
nichts!] Ich muß mal zu dem, was Sie heute gesehen haben, dazu stehe ich.
Wenn Sie sagen, Sie haben sich den Film 27 Mal angeschaut, dann finde ich
das interessant, weil er heute um 19 Uhr fertig wurde. Und es gibt nur eine
Kopie.
Caroline Fetscher: [indigniert] Die Kassette, die mir
zugeschickt wurde.
Martin Lettmayer: Ja, Sie haben die englische Version und ich
muß sagen, der Tagesspiegel...
Caroline Fetscher: Die hat mir gereicht!
Martin Lettmayer: Das Problem, ja... Vieles, was der
Tagesspiegel über diese englische Version geschrieben hat, ist so von der
Hand zu weisen nicht. Und wenn auf der Website so was drauf ist, so was,
ich mein, gut, ich hab da keinen Einfluß drauf, aber ich werd's vielleicht
mal...
Zwischenruf: Auf was hast du denn überhaupt Einfluß?
Martin Lettmayer: Ich hab für das, auf das, was Sie hier
gesehen haben, darauf `nen Einfluß.
Zwischenruf: Und der englische Film?
Martin Lettmayer: Den hat George Bogdanich in New York
geschnitten, getextet, darauf habe ich keinen Einfluß. Da könnte ich Ihnen
stundenlang zur Entstehungsgeschichte was erzählen... Für das, was Sie
gesehen haben, dafür halte ich hundertprozentig meinen Kopf hin und was
sonst noch in dem Rahmen noch rumrennt. Ich wollte sagen, dieser Krieg, ich
bin immerhin hier auf `ner Podiumsdiskussion, bin, wenn's um dieses Thema
geht, das ist ganz interessant, dann bin ich im Kriegsgebiet. Und dann
gibt's halt drei Gruppen, man kann sie auch manchmal auf zwei, also auf
zwei Gruppen... sehen, und zwischen denen beiden steht man. Und ich habe
nicht gesagt, das ist ein proserbischer Film, ich hab gesagt: "Wenn
Sie wollen, ist das ein proserbischer." Es wird einem nicht gelingen,
zu diesem Krieg einen Film zu machen, wo man auf der einen Seite also, die
Grenze, daß man sagt, das ist so objektiv, wird man vor einer
kroatisch-serbischen Audience nicht erreichen. So ist das.
Caroline Fetscher: Warum proserbisch, warum probosnisch, warum
prokroatisch?
Martin Lettmayer: Ich hab nicht gesagt, daß er proserbisch
ist, ich hab gesagt: "Wenn Sie wollen, ist er proserbisch." Das
ist `n Unterschied. Genau so wie wenn ich sage, und die Leute hören nicht
zu, wenn ich sage, es "sollen" 700.000 vertrieben worden sein.
Dann sage ich nicht: es "sind"! [Unruhe]
Eberhard Seidel: Herr Lettmayer, Sie haben sich ja jetzt
gerade eben von der englischen Version, die hier angekündigt wurde
eigentlich urprünglich, distanziert. Oder habe ich Sie da nicht richtig
verstanden?
Martin Lettmayer: Ich würd' mal so sagen, ich sage, daß die
englische Version wahrscheinlich noch die eine oder andere Schwäche mehr
hat als die deutsche.
Caroline Fetscher: Die läuft unter Ihrem Namen!
Frau: Ich habe mich mit dem Thema auch schon sehr
lange beschäftigt, ich möchte jetzt nicht unbedingt noch mal alte Kritiken
wiederholen, ich finde aber in dem, was die Frau, was zuletzt genannt
worden ist, nämlich die ethnische Zuordnung von Gruppen, von Menschen dort,
die wird eben in dem Film auch gemacht, und das finde ich, leider, leider,
eine sehr massive Schwäche, die ich wirklich so bedauernswert finde, daß
ich es schade finde, daß dieser Film in seinen Grundaussagen, die ich
richtig finde, gut finde, daß kritisiert wird, daß gesagt wird, die
westeuropäische und amerikanische Politik hat so dick die Finger da drin,
daß das ganze moralische Gerede über den Krieg und über die Legitimation
des Krieges wirklich zu hinterfragen ist. Ich finde es ernsthaft und
richtig, dieses zu hinterfragen und ich finde auch eine eindeutige Antwort
darauf, in diesem Film, die find ich richtig und das find' ich sehr gut.
Und deshalb finde ich es um so bedauerlicher, daß dieser Film diese immense
Schwäche hat, nämlich genauso ethnisierend die Menschen zu behandeln [Martin
Lettmayer unterbricht, während die Frau fortfährt: Aber bitte!
Das is`n Film, das ist ein Krieg gewesen zwischen Ethnien, wie soll ich
Ethnien auslassen? Boris Kanzleiter: Das ist schwer die Frage!
Frau: Das war kein Krieg zwischen Ethnien! Caroline Fetscher:
Wie primitiv!]
Eberhard Seidel: Ja, OK... [heilloses Durcheinander im Saal]
So, stop. Ich möchte bitte, daß die Frau zu Ende reden kann.
Frau von vorher: Also, daß in diesem Film zum Beispiel alles
soziale, alle sozialen Hintergründe völlig ausgeblendet werden. Daß gar
nicht die Menschen, die Menschen kommen nicht vor. Da kommen auch
Opferbilder vor und die Hintergründe für was, gut ich kenne in bestimmten
Regionen sehr genau, was da passiert ist. Ich bin da auch gewesen. Die
soziale Dimension der Zerstörung Jugoslawiens, die kommt einfach gar nicht
vor und stattdessen wird auch eine ethnische Sichtweise gemacht und da wird
gesagt, dann sind die halt wieder Schuld oder...[Seidel:
OK...]...das find ich Sch...
Eberhard Seidel: OK, ich glaube das war jetzt auch die Kritik,
die vorhin auch schon gekommen ist, daß in den Strukturen auch, die in den
Krieg geführt haben, nicht auftaucht sondern der Krieg als von außen
ausgelöst erscheint.
Sie haben sich noch gemeldet.
Mann: Ich wollte einmal zu den Historikern was
sagen. Ich finde es als Konsument völlig unwichtig, ob es 200 Tote, 500
Vertriebene oder 5000 Vertriebene sind. Ich finde jeder, jeder ist zu viel.
Ich sage das als Serbe und als solcher schäme ich mich dafür, aber zu den
Ethnien, wenn heute als jemand, der aus, vom Balkan abstammt, der kann in
Deutschland überhaupt nicht leben, ohne sich zu outen, weil es ist gar
nicht möglich. Die Neutralität ist gar nicht da, wenn du jemandem sagst:
Ich bin Jugoslawe, dann kommt [mokierter Tonfall:] Eh, das gibt's
doch gar nicht mehr, was bist du denn? [Applaus 5+]
Was mich immer sehr traurig macht,
daß in Deutschland eine Diskusion von Leuten geführt wird, bis 1991 gerade
mal gewohnt, Cevapcici aussprechen konnten und Pivo relativ perfekt, weil
es gut geht und alles andere ist relativ unbekannt. Wir haben ganz, ganz
wenige Leute in Deutschland, die wirklich sehr genau und relativ neutral,
sich mit der Geschichte und mit dem Zerfall und mit Titos Zeit beschäftigt
haben. Ich war ein junger Mann 1982 in Kosovo beim Militär, nicht
freiwillig, sondern zwanghaft. Früher wurde man aus Deutschland
ausgewiesen, wenn man nicht zum Millitär ging und das waren die zwölf
schlimmsten Monate meines Lebens. Warum? Weil wir wurden 1992 in der
Kaserne von unseren Offizieren getreten und außerhalb der Kaserne von den
Albanern. Also es gibt so viele Sichtweisen, daß ich wirklich jedem den Rat
geben würde, Objektivität gibt es da nicht. Irgendwie beißt sich da die
Katze in den Schwanz. [Applaus 8+]
Eberhard Seidel: [Scherzhaft:] Genau, und endlose Diskusionen gibt's auch
nicht... Äh, mir kommt jetzt die unangenehme Aufgabe zu, die
Veranstaltung langsam zu beenden, das muß ich, das muß ich tun...
Frau: Also ich melde mich, ich habe mich schon oft
gemeldet, Sie haben mich übersehen. Also ich möchte ein großes Lob für
diesen Film aussprechen und also eben diese Stimme, die nie gehört wurde,
also das, daß man 10 Jahre eine einseitige Presse hier bekommen hat und
sich davon, darüber auch geärgert hat, wie sich jetzt auch manche ärgern,
daß sie das sehen. Und ich denke, daß der Film auch sehr, sehr viele Fakten
auch einschließt, die auch sehr, sehr entscheidend für den Verlauf dieses
Krieges und für die Weiterführung dieses Krieges hier, sehr gut dargestellt
sind. Und egal, ob das jetzt, also auch Srebrenica war ein Streit. Ich
glaube, das war von einem holländischen Journalisten, der das als erster in
die Welt verbreitet hat und der dafür glaub' ich auch von Holland jetzt
auch angezeigt wird, von dem Staat. Dann Markale, was auch immer das Bild
der Serben in der weiten Welt verändert hat. Dann auch Kosovokrieg mit dem
KZ in Pristina. Das sind so viele Fakten, die eigentlich mir zu denken
geben, wem glaubt, welcher Presse glauben wir. Ich meine das, das ist, der
Film ist für mich ein Schritt in eine, eine Richtung, wieder eine
ausgleichende Gerechtigkeit zu schaffen. Und das ist und deswegen, ich
verstehe auch, daß viele Leute davon betroffen sind und sich als Opfer
fühlen, wenn sie das sehen. Aber ich sehe den Film auch nicht als
proserbisch, das ist nur, ich sehe auch nicht Peter Handke als proserbisch,
weil er seinen Roman geschrieben hat. Und das ist einfach so, das wollte
ich sagen. (Applaus 25+)
Eberhard Seidel: Vielen Dank. So und jetzt kommt niemand mehr
zu Wort. Also weiterdiskutiert werden kann jetzt draußen. Also ich muß hier
die Veranstaltung beenden, weil um 22 Uhr hier 'n Film gezeigt wird, und
das für die Nachkommenden, die den Film sehen wollen, also auch unfair
wäre. Ich will mich bei allen also hier Anwesenden auf dem Podium nochmal
bedanken für die Diskussion und auch für ihre Geduld. [Applaus]